Der Wichtelstein

Eh' noch von hohem Felsen Schloss Waldeck schaut ins Land,
Da wohnten schon dort oben die Wichteln, unerkannt.
Dort, wo am Burgweg drohend ein hoher Fels sich reckt.
Da lag der Wichteln Pforte, im Strauchwerk wohl versteckt.

Als dann zur Burg ein Ritter den Fels sich auserkor,
Da schlüpften auch die Wichteln ganz still und stumm hervor
Und halfen fleisig bauen und schaffen Tag und Nacht;
Bald stand die Burg vollendet, eh' man es nur gedacht.

Da freute sich der Ritter, dass Mauern Tor und Turm
So fest gefüget standen, zu trotzen Stoss und Sturm.
Nur eines macht ihm Sorge, das war der Wichtelstein, -
Wenn der vom Rumpf sich löste und stürzt ins Tal hinein! -

Der Ritter sprach zum Meister, der kühn die Burg erbaut:
„Schafft mir den Fels zu Tale, dass mir vor ihm nicht graut!“
Da sprach der weise Meister: „Der Auftrag macht mir Pein,
Es soll hier hinter'm Felsen die Burg der Wichteln sein.
Und stürzten wir den Felsen, die Wichteln zögen fort
Und brächten ihren Segen an einen andern Ort“.

. Hell schien der Mond, still war die Nacht,
. der Ritter schlummert im Saal,
. Da huschen heran ganz stumm und sacht
. Die Wichteln in grosser Zahl.
. Und wunderbar, wie aus ferner Welt,
. Ein Schlummerlied singt der Chor. -
. Als leise die Weise er eingestellt,
. Tritt König Wichtelmann vor:

Herr Ritter, hör' mein Bitten, hör an der Wichteln fleh'n
Gönn', was uns frommt, zum Leben, den Wichtelstein lass steh'n!
Wir haben ihn gefesselt, dass er in Tal nicht rollt,
An seinen Rumpf mit Fesseln von zähem Edergold;
Ein Kreuz mit tausend Fängen greift rechts von Stein zu Stein
Und links ein Stern fasst strahlend auch in den Fels hinein.
Solang die beiden Bande nicht schnöde Goldgier bricht,
Bleibt, was uns frommt zum Leben, - und deine Burg wankt nicht“

Der Ritter hat's vernommen, gehört und auch geseh'n.
Er sprach am nächsten Morgen: „Der Wichelstein bleibt steh'n!“ -
Noch stehen Burg und Felsen; ihr Fall ist wohl noch fern;
Noch strahlet in dem Wappen der Burgherrn Kreuz und Stern.
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Gedicht von Heinrich Danzglock aus "Waldeckisches Heimatsbuch" von Christian Fleischhauer