Weihnachten in der Fremde

Ein Waldecker, welcher als Freiwilliger beim 30. Regiment, das zum Armeekorps des Generals von Werder gehörte, den Krieg gegen Frankreich mitmachte, schrieb am 25. Dezember 1870 nachfolgenden Brief an seine Eltern.

Ihr Lieben, Lieben in der Ferne!

Heute ist erster Weihnachtstag, und ich sitze hier in Montigny le Roi, wo wir gestern eingerückt sind. Es ist das erste Weihnachtsfest, welches ich nicht zu Hause verlebe, hoffentlich, vorerst wenigstens, das letzte! Vorgestern hatten wir mit Scharen von Mobilgarden ein Scharmützel; die folgende Nachte mußte ich auf Vorposten, was bei der jetzt hier herrschenden großen Kälte nicht gerade zu den Annehmlichkeiten gehört.

Wie oft ich gestern Abend an Euch Lieben gedacht, werdet Ihr wohl ermessen können; richtiger gesagt meine Gedanken waren immer bei Euch. Im Geiste sah ich Euch zwischen 5 und 6 Uhr mit den Geschwistern um den brennenden Christbaum stehen und dann gemütlich zusammen sitzen. Sicher ist bei den Gesprächen Eures fernen Kindes in Liebe oft gedacht.

Doch auch ich habe Weihnachtsabend gefeirt und sogar einen Christbaum gehabt. Nach einem anstrengenden Marsche kamen wir recht ermüdet hier an. Das hielt mich aber nicht ab, mit meinen drei Quartierkameraden noch in den nahen Wald zu gehen und, ohne den Förster um Erlaubnis zu fragen, einen Tannenbaum zu holen; für Geld und gute Wore erhielten wir einige Wachskerzen und etwas Zuckerwerk, schmückten den Baum und zündeten die Lichter gegen 8 Uhr an. Ich glaube, noch nie hat ein Christbaum mir solche Freude gemacht. Unsere Hausleute, die wir herbeiriefen, als der Baum brannte, sperrten Mund und Augen auf. Hier kennt man die schöne Sitte mit den Christbäumen nicht! Nun kamen auch noch Eure Pakete mit den Zigarren, dem Tabak und den Handschuhen an. Habt herzlichsten Dank! Die Freude wäre vollständig gewesen, wenn auch Briefe, die Ihr sicher abgeschickt habt, gekommen wären! Hoffentlich kommen sie recht bald!

Nach einem sehr einfachen Abendessen, bei dem der Hunger der beste Koch war, erfreute uns noch ein Glas sauren Weines, wenn bei solchem Zeuge von Freude die Rede sein kann.
Wald. Sonntagsbote 1890

Aus: Waldeckisches Heimatsbuch, Teil 1 Geschichte; von Chr. Fleischhauer, Verlag Chr. Hundt, Bad Wildungen 1906.

Doch auch ich habe Weihnachtsabend gefeirt und sogar einen Christbaum gehabt. Nach einem anstrengenden Marsche kamen wir recht ermüdet hier an. Das hielt mich aber nicht ab, mit meinen drei Quartierkameraden noch in den nahen Wald zu gehen und, ohne den Förster um Erlaubnis zu fragen, einen Tannenbaum zu holen; für Geld und gute Wore erhielten wir einige Wachskerzen und etwas Zuckerwerk, schmückten den Baum und zündeten die Lichter gegen 8 Uhr an. Ich glaube, noch nie hat ein Christbaum mir solche Freude gemacht. Unsere Hausleute, die wir herbeiriefen, als der Baum brannte, sperrten Mund und Augen auf. Hier kennt man die schöne Sitte mit den Christbäumen nicht! Nun kamen auch noch Eure Pakete mit den Zigarren, dem Tabak und den Handschuhen an. Habt herzlichsten Dank! Die Freude wäre vollständig gewesen, wenn auch Briefe, die Ihr sicher abgeschickt habt, gekommen wären! Hoffentlich kommen sie recht bald!

Nach einem sehr einfachen Abendessen, bei dem der Hunger der beste Koch war, erfreute uns noch ein Glas sauren Weines, wenn bei solchem Zeuge von Freude die Rede sein kann.
Wald. Sonntagsbote 1890
____________________

Aus: Waldeckisches Heimatsbuch, Teil 1 Geschichte; von Chr. Fleischhauer, Verlag Chr. Hundt, Bad Wildungen 1906.